Nachtelfen-Fans in World of Warcraft heulen ohne Unterlass rum – findet zumindest Cortyn von MeinMMO und will das analysieren.
Die Story von World of Warcraft ist immer mal wieder ein großes Thema. Nicht alle mögen, wohin sich die Story entwickelt, manche wollen gar lieber ihre eigene Vision der Geschichte in WoW realisiert sehen. Doch besonders eine Gruppe ist in den letzten Monaten und Jahren dem Anschein nach sehr dünnhäutig geworden: Hardcore-Nachtelfen-Fans.
Was ist los bei den Nachtelfen?
Dem Volk der Nachtelfen ging es in den letzten Erweiterungen ziemlich an den Kragen. Mit der Vernichtung des Teldrassil zum Auftakt von „Battle for Azeroth“ starb rund 90 % der Nachtelfen-Population im WoW-Universum und es begann Tyrandes Rachefeldzug, der für viele nicht befriedigend endete, da Sylvanas nicht vollkommen starb, sondern im Schlund nach Seelen suchen muss.
Datamining aus der Alpha von Dragonflight zeigt, dass Nachtelfen auch in der kommenden Erweiterung eine wichtige Rolle einnehmen werden. Dort kommt es vermutlich zu einem Vorfall, bei dem der Erzdruide Malfurion Sturmgrimm in die Schattenlande muss, um dafür Yseras Wiedergeburt auf Azeroth zu ermöglichen – ein Tausch, um das Gleichgewicht zu bewahren.
Auch wenn der genaue Hergang der Quest, der Entscheidungsprozess und die ganzen Einzelheiten dazu noch gar nicht bekannt sind, war der Aufschrei in der Nachtelfen-Community bereits riesig. Da werden Story-Schreiber mal wieder aufs Ärgste beleidigt, die „Früher war alles besser“-Fraktion ist auf dem Vormarsch und ganz allgemein gibt es so viel Kritik an den Nachtelfen in den letzten beiden Jahren, dass ich das hier mal ganz salopp als „Geheule“ zusammenfasse.
Die Forderung ist klar: Für die Nachtelfen soll es endlich wieder aufwärtsgehen, sie sollen keine Rückschläge mehr erleiden und jetzt sollen rosigen Zeiten (ohne Dornen!) anbrechen, in denen das Volk wieder ohne Probleme gedeihen kann.
Nachtelfen wurden als leidendes Volk eingeführt
Verluste und Rückschläge sind in einer Geschichte natürlich und manche trifft es mehr als andere. Gerade Nachtelfen sollten daran eigentlich gewöhnt sein. Schon in Warcraft III mussten sie vieles ertragen. Ihre Elfenwälder wurden zu einem großen Teil von den Orcs entweiht und gerodet, der Halbgott Cenarius wurde erschlagen und der Weltenbaum Hyjal verlor bei der Explosion der Irrwische die Macht, die Nachtelfen unsterblich werden ließ.
Genau diese Geschichten von Verlust und Umgang damit sind es doch, weshalb man sich überhaupt für die Nachtelfen so stark interessiert hat – zusammen mit ihrer Kultur und all dem, was die Kaldorei eben so ausmacht.
Und ja, am Ende ist diese Unzufriedenheit über Story-Entwicklungen irgendwie natürlich. Man ist nicht mehr dabei, sich gerade frisch in die Spielwelt und die Charaktere zu verlieben, sie sind einem bereits ans Herz gewachsen und jetzt will man sehen, wie die Geschichte weitergeht und hofft, dass sie glücklich und zufrieden sind. Den Wunsch danach kann ich nachvollziehen, aber wenn man länger darüber nachdenkt, zerfällt er einfach.
Die Nachtelfen sind, wer sie sind, weil ihr Volk immer wieder massiven Problemen ausgesetzt war. Sei es die erste Invasion der Legion vor 10.000 Jahren mit der Zersplitterung der Welt, sei es der 3. Krieg in Warcraft III oder eben vor einer Weile der Krieg der Dornen.
Nachtelfen haben mehr Story als jedes andere Volk
Um es mal salopp zu sagen: Das Geheule so mancher Nachtelfen-Fans geht mir gehörig auf die Nerven. Der mit Abstand absurdeste Vorwurf ist, dass Blizzard bei den Nachtelfen immer so wenig neue Story bringt. Jedes andere Volk hätte so viel mehr Geschichte bekommen und die Nachtelfen würden immer nur eine kleine Randrolle einnehmen und wären beinahe „vergessen“.
Da frag‘ ich mich regelmäßig, ob die Spieler:innen das wirklich glauben oder einfach noch halb im smaragdgrünen Traum festhängen. Seit „Cataclysm“ sind Nachtelfen in quasi jeder Erweiterung ziemlich prominent vorgekommen und hatten mehrere interessante und spannende Questreihen, wenn nicht sogar ganze Gebiete, die sich im Grunde nur um ihre Kultur drehten.
In Cataclysm gab es viel neue Nachtelfen-Lore. Die ganzen „alten“ Gebiete wurden immerhin überarbeitet. Das Eschental, Feralas, die Dunkelküste, der Teufelswald – alle traditionellen Nachtelfen-Gebiete boten neue Storys mit mehr Hintergründen. Dazu kam noch der Hyjal, der heilige Weltenbaum der Nachtelfen, den Spieler bisher nur aus Warcraft III kannten.
Obwohl Mists of Pandaria einen großen Fokus auf die Pandaren legten, hatten Nachtelfen auch hier einen sehr interessanten Auftritt. Die Suche nach dem Jungbrunnen in Krasarang ist eine der spannendsten und interessantesten Questreihen rund um die Kaldorei. Wie sie versuchen, ihre Unsterblichkeit zurückzuerlangen – und was sie bereit sind, dafür sogar zu opfern.
Die Erweiterung „Legion“ hätte man auch einfach „Kaldorei-Story“ nennen können. Das Gebiet Azsuna handelt vornehmlich von alter, nachtelfischer Kultur und den Geistern von Elfen, die vor vielen Jahrtausenden lebten. Es brachte mehr Infos zu Azshara, ihren Anhängern, dem Glauben von Elune und Magie innerhalb des Nachtelfenvolkes – und ganz nebenbei hatte man hier die erste belegte homosexuelle Beziehung zwischen zwei Nachtelfen untergebracht. Das gleiche galt für Val’sharah. Hier ging es stark um das Druidentum, den Smaragdgrünen und die Priesterschaft der Elune, sowie die einstige Adelsgesellschaft der Nachtelfen. Der Dungeon „Rabenwacht“ ist reine Nachtelfen-Story.
Dieses Bild von Tyrande hat damals viele zu den Nachtelfen gezogen.
Weiter ging es in Suramar. Hier stehen die Shal’dorei im Fokus, also Nachtelfen, die sich anders entwickelt haben. Man kam auch noch in Kontakt mit der Mondgarde, einer legendären Riege von Nachtelfen-Magiern, die damals im Krieg der Urahnen gekämpft haben.
Ach, und bevor ich es vergesse: Auch das Grabmal des Sargeras hatte extrem viele interessante Nachtelfen-Details. Immerhin ist der ganze Raid in einem alten Elune-Tempel gebaut, der auch noch einen zusätzlichen Dungeon hatte.
Battle for Azeroth hatte den Krieg der Dornen, die Vernichtung von Teldrassil, den Verlust und die Rückeroberung der Dunkelküste, Tyrandes Ritual, das sie zur Nachtkriegerin machte, die Flucht der Elfen und jede Menge Kriegseinsätze während der Kriegskampagne an der Seite von Shandris.
Shadowlands hatte die Nachtfae-Kampagne, die man auch getrost als „Nachtelfenkampagne“ bezeichnen könnte, denn hier stand vor allem die Suche nach Tyrande, den Seelen der Nachtelfen und sogar eine Konfrontation mit der Mondgöttin Elune selbst im Fokus.
Und das alles sind nur die Nachtelfen-Inhalte, die mir beim ersten Nachdenken einfallen. Da habe ich neue Storys zu den Shen’dralar und anderen Splittergruppen noch gar nicht mitgedacht.
Wenn Nachtelfen-Fans also über zu wenig Story „rumheulen“, zeig ich mit dem Finger mal vorsichtig auf Goblins, Gnome, Worgen, Tauren und Blutelfen. Deren Story hat sich nämlich im weitesten Sinne seit ihrer Einführung gar nicht oder nur minimal bewegt, wenn mal irgendwo ein Anführer umgenietet wurde.
Absolut jedes andere Volk von World of Warcraft kann sich nur danach sehnen, so viel „Screentime“ und eine so wichtige Rolle in der Story einzunehmen, sei es in Bezug auf die großen, kosmischen Bedrohungen als auch die kleinen „Alltagsquests“.
Was die Repräsentation in reiner „Story-Time“ angeht, haben es Nachtelfen unglaublich komfortabel und sollten froh sein, dass sie auch in Dragonflight wohl wieder eine wichtigere Rolle spielen werden.
Tyrande und Malfurion beim Angriff auf die Dunkelküste.
Nachtelfen sind die Ausnahme von der „Fraktions-Steuer“
Im deutschsprachigen Raum wird das nicht so oft diskutiert, doch in Bezug auf die Warcraft-Story spottet man oft über die „Faction Tax“, also die „Fraktions-Steuer“. Das bezeichnet ein Konzept, bei dem es immer wieder ausgleichende Faktoren in der Geschichte gibt. Wenn bei der Allianz etwas Großes passiert, dann muss kurz darauf auch bei der Horde etwas Ähnliches passieren, um das irgendwie auszugleichen.
- Die Allianz verliert den Teldrassil und damit Darnassus aus Hauptstadt? Dann folgt kurz darauf der Verlust von Unterstadt für die Horde.
- Die Horde verliert Vol’jin als Kriegshäuptling im Kampf gegen die Legion? Dann muss auf der Seite der Allianz fast zeitgleich auch König Varian Wrynn ins Gras beißen.
- Sylvanas scheidet als Anführer der Horde in der Story aus? Schwuppdiwupp, da ist auch Anduin bei der Allianz verschwunden.
Die Nachtelfen sind hier aktuell in einer, wie ich finde, sehr interessanten und spannenden Sonderstellung. Der Quasi-Genozid durch den Brand von Teldrassil, bei dem ungefähr 90 % der Nachtelfen gestorben sind, ist der einzige große Fall, bei dem es kein Gegenstück und damit keine „Fraktionssteuer“ gibt.
Klar, sie sind das einzige Volk, das so massiv leiden musste – aber das ist auch eine ziemlich spannende Sonderstellung.
Ein einstmals riesiges Volk, das jetzt dezimiert ist und mit vielen Problemen gleichzeitig auskommen muss. Das ist für Rollenspieler spannend und sollte es auch für alle sein, die sich einfach auf Geschichten aus Quests oder Büchern freuen.
Die Möglichkeiten, die sich hier für die Erzählung ergeben, sind interessant und können mehr Einzelschicksale in den Fokus rücken.
Doch nicht nur die Kritik an der „bösen“ Story an sich geht mir inzwischen auf den Zeiger, sondern ein weiteres Detail, das in den letzten Jahren beständig nerviger wurde.
Es ist der Wunsch, die Story von einem Spiel, einem Buch oder einem Film zu ändern, den ich immer extrem problematisch finde.
Daher finde ich es auch schrecklich, wenn man die Entwickler und Story-Schreiber jetzt irgendwie unter Druck setzen will, die Nachtelfen-Story doch in eine bestimmte Bahn zu lenken, in der alles sofort perfekt läuft. Denn das ist langweilig. Nach einem großen Rückschlag folgt in der Regel ein Kampf, eine Anpassung mit Opfern und Veränderungen, um dann daraus etwas Neues zu erschaffen. Gebt den Entwicklern den Freiraum, das auch zu erzählen, wie sie es für richtig halten.
Ich stehe 100 % dahinter, wenn man Entwickler auf offensichtliche Fehler in der Story hinweist und dafür sorgen will, dass die Lore logisch bleibt und offensichtliche Widersprüche nicht vorkommen. Ein gutes Beispiel war etwa der „Red Shirt Guy“, der Blizzard vor Jahren darauf hinwies, dass ein bestimmter Zwerg gar nicht tot war, wie die Entwickler annahmen.
Doch wenn die Spielerinnen und Spieler versuchen, die genaue Richtung der Story an sich zu reißen, dann finde ich das problematisch. Man muss nicht jede Story-Entscheidung mögen, doch am Ende ist es immer noch eine Geschichte, deren Inhalt von Künstlern erschaffen wird.
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Malfurions Weggang schafft Platz für neue Geschichten
Zu guter Letzt will ich aber auf einer positiven Note enden. Ich mag Nachtelfen. Ich spiele selbst im Rollenspiel regelmäßig eine, eben weil sie so eine interressante und reichhaltige Vergangenheit haben. Die Nachtelfen waren immer ein matriarchal geprägtes Volk, in dem Frauen das Sagen hatten – sei es zur Herrschaft von Königin Azshara oder all die Jahrtausende danach unter den Priesterinnen der Elune. Sie waren ein amazonenhaft anmutendes Volk, sehr naturverbunden und hatten durch ihren Glauben und ihre Nähe zu all den „Fabelwesen“ wie Dryaden, Urtumen und Halbgöttern eine ganz besondere Mystik.
Das ist etwas, von dem ich denke, dass es in den letzten Jahren ein wenig aufgeweicht wurde. Der Krieg der Dornen mit all seinen Implikationen hat dieses „Wilde“ einmal aufleben lassen und mich daran erinnert, warum ich Nachtelfen schon immer so cool fand.
Tyrande und Shandris könnten wichtigere Rollen einnehmen – ohne Malfurion.
Wenn Malfurion, als eine der mächtigsten Persönlichkeiten der Nachtelfen überhaupt, jetzt von der Bildfläche verschwindet, dann stehen die Kaldorei wieder nahezu vollkommen unter Tyrandes Herrschaft als Hohepriesterin der Elune. Das erlaubt viel Entwicklung wieder hin zu den „alten“ Nachtelfen, wie wir sie früher kannten und hat gleichzeitig Potenzial für interne Konflikte mit Elfen, die den neuen Lebensstil an Seiten der verschiedenen Völker oder im Umgang mit Magie angenommen haben.
Malfurions Verschwinden ist, wenn es denn so kommt, natürlich traurig für alle, die hier diese Beziehung endlich vertieft sehen wollten. Die beiden haben auch nach 10.000 Jahren Trennung noch immer kein Happy End.
Doch wenn Malfurion von der Bildfläche verschwindet und ein neuer Weltenbaum gepflanzt wird, hat das vor allem unglaublich viel Potenzial – und darauf sollte man sich einfach mal freuen. Denn wenn die Nachtelfen jetzt ein „Happy End“ hätten, ist es wohl wahrscheinlich, dass ihre Charakter-Entwicklung als Volk ebenfalls zu einem Ende kommt.
Und dann hätten die Nachtelfen-Fans wohl wirklich mal einen Grund zum Heulen.
Der Beitrag Nachtelfen-Fans sind echt die größten Heulsusen von World of Warcraft erschien zuerst auf Mein-MMO.de.
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